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Channel: Spielbeobachtung – Calcio Chemnitz
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Bruchlandung und Höhenflug, Chemnitzer FC 1:2 FC Erzgebirge Aue

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Derby in Chemnitz! 12.300 Zuschauer sehen das Spiel des Jahres in Westsachsen. Die Gastgeber haben dreißig gute Minuten, fallen nach dem Doppelschlag der Gäste zusehends auseinander. Aue abgezockt, Chemnitz desolat. Eine Analyse.

3. Liga, 16. Spieltag, 7. November 2015

Fischerwiese, Chemnitz

Fischerwiese, Chemnitz – Die Fankurve vor dem Spiel

Vor dem Spieltag hätte man die Ansetzung schnöde formulieren können: Tabellenzehnter empfängt -achten, Anfang November irgendwo im Niemandsland der 3. Liga. Das trägt der Begegnung natürlich nicht Rechnung. Zum einen trennten Platz vier und 20 nur acht Punkte. Dresden mag einsam seine Kreise ziehen, dahinter kann jeder jeden schlagen. Das bewahrheitete sich wieder einmal an diesem Wochenende, etwa bei Magdeburgs (6.) Sieg über Münster (2.) oder Kiels (20.) Erfolg gegen Großaspach (3.).

Auch Chemnitz und Aue bekamen die Ausgeglichenheit der Liga jüngst zu spüren. Einem guten Heimauftritt gegen Halle (3:1, Analyse) ließ der CFC eine Niederlage beim Tabellenschlusslicht Bremen II folgen (3:2). Die Woche zuvor war dort bereits Aue mit 4:0 unter die Räder gekommen. Die Reaktion folgte prompt unter der Woche im DFB-Pokal, wo der FCE sensationell Eintracht Frankfurt bezwang (1:0). Die Spieltagsplanung meinte es nicht gut mit den Pokalhelden, mussten sie doch bereits am Freitag wieder ran. Der kurzen Pause geschuldet, trennte man sich mit Wiesbaden 1:1. Breitkreuz sorgte in der Nachspielzeit für den Punktgewinn. Quervergleich ahoi: Wiesbaden gab auch an diesem Spieltag eine Führung über Dynamo erst in letzter Sekunde ab.

CFC und FCE vor Derby mit durchwachsenen Ergebnissen

Die 3. Liga ist also sehr ausgeglichen, die Tabelle bislang immer nur die sprichwörtliche Momentaufnahme. Ein Punkt trennte CFC und FCE vor der Partie. Chemnitz hatte bisher nur ein Heimspiel verloren (gegen Münster, 0:1). Aue stellt hinter Würzburg die beste Defensive der Liga. Die Formkurve der Veilchen zeigt – mit Ausnahme des Bremen-Spiels – leicht nach oben. In den letzten Wochen hat sich das neuformierte Team gefunden, was z.B. gegen Magdeburg ersichtlich war (Analyse). Sportlich sprach also alles für eine, wenn nicht hochklassige, doch intensive Partie.

Zum anderen ist das Westsachsen-Derby natürlich kein normales Spiel. Vielleicht mit Ausnahme Zwickau ist eben diese Ansetzung – Chemnitzer FC gegen FC Erzgebirge Aue – die wichtigste für die Region. Jede Fuhre Tickets war binnen Stunden vergriffen, die Vorfreude in den Fanlagern ähnlich groß wie in der Vorwoche bei Dynamo gegen Magdeburg (Analyse). Die Statistik kennt 71 bisherige Begegnungen. Die Bilanz könnte kaum knapper sein: 26 Siege FCK/CFC, 24 Siege Aue, 21 Unentschieden. Trotz der langen Historie liegt die letzte Partie in der Liga nun zwölf Jahre zurück.

Der Andrang war also absehbar, die Situation beim Einlass zum Stadion allerdings kaum drittklassig. Fünf Minuten vor Anpfiff standen immernoch hunderte Fans vor den Toren, sodass die Partie um eine Viertelstunde verschoben wurde. Und das bei nur drei fertigen Tribünen. Erstklassig dagegen die Choreographie vor Spielbeginn in Anlehnung an Nicoles Schlager “Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund” (Video).

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Anstoß mit Verspätung, im Hintergrund: die noch im Bau befindliche Westtribüne

Ähnlich schwankend war denn auch der Auftritt der Himmelblauen auf dem Platz. Einzige Änderung zum Spiel in Bremen war die Hereinnahme von Conrad für Röseler. Der Innenverteidiger hatte mit Fieber pausieren müssen. Auch Dotchev nahm nur eine Änderung an seiner Elf vor: Skarlatidis startete für Handle im rechten Mittelfeld. Chemnitz erwischte den besseren Start, der eigentlich von Nicklichkeiten geprägt, noch keinen echten Spielfluss aufkommen ließ. Gewonnene Ecken und Freistöße wurden auf beiden Seiten frenetisch bejubelt. Darunter ein Abschluss von Kaffenberger, den Männel glänzend entschärfte (6′).

Chemnitz' 1:0, schnell und effektiv, Fink (9 blau) läuft entgegen Susacs (21 weiß) und nutzt den Raum hinter der Abwehr.

Chemnitz’ 1:0, schnell und effektiv, Fink (9 blau) läuft entgegen Susacs Bewegung (21 weiß) und nutzt den Raum hinter der Abwehr.

Kurz darauf (8′) war Aues Schlussmann aber machtlos. Auffällig war bereits zuvor die hohe Position seiner Abwehrreihe. Chemnitz schnell und direk: Kehl-Gomez mit dem Einwurf tief in der eigenen Hälfte, der jeweils mit einer Berührung verlängert wird. Zunächst Dem per Kopf, dann Türpitz akrobatisch und ohne Blickkontakt in den freien Raum hinter der aufgerückten Auer Abwehr. Fink timed seinen Lauf optimal, entwischt so Susac. Auf dem doch recht langen Weg auf Männel zu, kommen andere vermutlich ans Denken und scheitern dann im Eins gegen Eins. Fink wäre aber nicht Rekordtorschütze der Liga, wenn er hier nicht eiskalt zum 1:0 abschließen würde. Risikofreudiges Chemnitzer Spiel, das sich auszahlte.

Aues Reaktion ist bemerkenswert, allein für den späteren Vergleich mit den Gastgebern. Die Veilchen sind mit dem Rückstand um Ballbesitz bemüht, wollen sofort selbst agieren. Tiffert ordnet das Spiel im zentralen Mittelfeld, fordert die Bälle und wird in jeder Situation gesucht. Der “Oldie” im doch sehr jungen Kader der Erzgebirgler ist der Ruhepol im Spiel. Zwar funktionieren die vertikalen Pässe in die Spitze noch nicht. Aber Aue hat ein System, in das sie sich nach dem Rückstand mit Vertrauen zurücklegen können.

CFC mit starker halben Stunde, Aue aber geduldig

Apropos Vertrauen: Mit der Führung läuft auch das Spiel der Himmelblauen geschmeidig. Die Rückwärtsbewegung bei Ballverlusten stimmt, Unterzahlsituationen werden vermieden. Die letzten paar Prozent sind bei allen Akteuren da, ob im Laufduell oder im Zweikampf. In dieser Phase hält auch die Chemnitzer Zentrale mit Dem und Kaffenberger gut gegen Riese und Tiffert. Beide Mannschaften sind im 4-4-2 organisiert, Aue mit zwei echten Stürmern, Chemnitz nominell nur mit einer Spitze. Faktisch rückte Türpitz aber neben Fink auf.

Chemnitz ist in der ersten halben Stunde die bessere Mannschaft, hat mehrere Hochkaräter und müsste vielleicht auf 2:0 stellen. Männel hält Aue im Spiel (23′). Bei einem Chemnitzer Freistoß aus dem rechten Halbfeld taucht Dem 5 Meter vor ihm auf, kommt völlig frei zum Kopfball. Männel klärt mit einem starken Reflex zur Ecke. Auch die Gäste kommen zu ihren Chancen, wenn auch keine so zwingend sind wie auf Chemnitzer Seite. Aber Aue bleibt geduldig, lässt den Ball in gutem Tempo kreisen. Mehr und mehr verlagert sich das Spiel in die Hälfte der Himmelblauen. Zum Ausgleich (38′) schnüren sie den CFC minutenlang ein, kombinieren sich dann gekonnt über links durch: Kehl-Gomez steht allein gegen zwei, Hertner steckt auf Skarlatidis durch, der flankt per Direktabnahme scharf vors Tor. Wegner dreht sich simpel um Conrad herum und köpft zum 1:1. Der CFC hatte sich noch nicht gesammelt, da drehte Aue das Spiel: Tiffert hat auf dem rechten Flügel viel Platz und Zeit. Von links zieht Adler in den Strafraum, Kehl-Gomez lässt ihn im Rücken laufen. Die Hereingabe kommt perfekt, wieder ist Kunz machtlos; 1:2.

Kein Plan B bei Chemnitz, Aue abgezockt

In der Pause stellt Karsten Heine um, bringt Stürmer Ronny König für Abwehrspieler Marco Kehl-Gomez. Stenzel rutscht nach rechtshinten, Türpitz auf rechtsaußen. Mehrfach hat Chemnitz in dieser Saison schon Rückstände aufgeholt, etwa gegen Stuttgart, Würzburg oder Erfurt. Es ginge also. Mit mehr Dampf kommt aber Aue aus der Kabine, Wegner hat vom Anstoß weg das 1:3 auf dem Fuß. Und nun zeigt sich auch der Unterschied im Umgang mit dem Rückstand. Hatte Aue ein verlässliches System, wirkt Chemnitz ideenlos, teilweise desolat. Stumpf werden jetzt die Bälle auf König geschlagen. Kaum einen kann dieser aber festmachen und verteilen. Zum einen lag das daran, dass er Eins gegen Zwei oder gar Eins gegen Drei stand und niemand schnell genug aufrückte. Susac und Breitkreutz bilden eines der besten Innenverteidigerduos der Liga. Ohne Tempo ist denen nicht beizukommen. König selbst ist aber auch nicht handlungsschnell genug, die Finesse eines Lönings fehlte ihm in diesen Situationen.

Chemnitz kommt im Laufe der zweiten Halbzeit immer mal zu Abschlüssen, aber alles wird halbgar vorgetragen. Nichts hat die Prägnanz der ersten halben Stunde. Druck und Tempo fehlen. Heine reagiert nochmals mit der Hereinnahme von Dartsch für Cincotta auf der Außenbahn. Kurz darauf bringt Dotchev klar defensiv orientiert Samson für Kvesic. In dessen erster Szene lässt er Dartsch im Mittelfeld laufen, und sich zu einem unnötigen taktischen Foul hinreißen. Der Sechser sieht keine Minute nach seiner Einwechslung gelb.

Aue spielt die Führung clever und abgezockt runter, gibt das Tempo vor, agiert auf fremden Platz. Chemnitz bleibt meist in der Reaktion. Aue verschleppt geschlossen das Spiel, oder macht es situationsabhängig schnell. Die Gäste sind bis in die Nachspielzeit mehrfach mit Kontern dem 1:3 nahe, Kunz kann sich auszeichnen. Die Entscheidung zugunsten der Gäste lag eher in der Luft als der Ausgleich. Heine muss sich zumindest die Wechsel ankreiden lassen: Königs Hereinnahme war desaströs für das Chemnitzer Spiel, Dartschs Impact verpuffte schnell. So kippte auch die Stimmung, dass bereits zehn Minuten vor Schluss die “Heine raus!”-Rufe nicht zu Überhören waren. So liest sich auch sein Teilfazit [MDR] beinahe wie eine Bankrotterklärung: “[Nach den vergebenen Chancen in Halbzeit eins] sind wir nicht mehr so konsequent in den Zweikämpfen gewesen und haben uns sehr naiv bei den Gegentoren angestellt. In der zweiten Halbzeit haben wir vieles versucht, aber gegen tiefstehende und gut konternde Auer nichts mehr gepackt.”

In Chemnitz werden es zwei lange Wochen bis zum nächsten Punktspiel gegen Fortuna Köln. Auf der anderen Seite hat Aue gezeigt, dass die Niederlage in Bremen wirklich nur ein Ausrutscher war. Man hält den Anschluss nach oben. Kommendes Wochenende steht das Viertelfinale im Sachsenpokal beim Sachsenligist SG Taucha 99 an. Danach das nächsten Sachsenduell in Liga 3 mit einem Heimspiel gegen die SG Dynamo aus Dresden.



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