Am Samstag standen sich im nächsten Sachsen-Duell in Liga 3 Aue und Dresden gegenüber. 15.000 Zuschauer sahen eine höherklassige Partie, die intensiv aber fair geführt wurde.
Aues Trainer Pavel Dotchev zog im Vorfeld der Partie die Bayern-Parallele, ob Dynamos Dominanz in Liga 3. Dresdens Herbstmeisterschaft haben wir bereits ausführlich analysiert. Der frühe Zeitpunkt ist auch der Ausgeglichenheit des Verfolgerfeldes geschuldet. So hatte Aue etwa vor diesem 17. Spieltag auf Rang sieben nur drei Punkte Rückstand zu den Aufstiegsrängen. Zumal die Veilchen in den letzten Wochen große Siege errangen: Aue warf im DFB-Pokal Bundesligist Eintracht Frankfurt raus (1:0), gewann anschließend das vielleicht wichtigste Spiel der Saison in Chemnitz (1:2). Doch Dotchev schob den Gästen die Favoritenrolle zu: “Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, auf dem Papier gewinnt Dynamo.” Tatsächlich hatte Dresden mit 38:17 Toren gegenüber Aues 11:12 die bessere Statistik. Allein Justin Eilers traf in dieser Saison bereits 14-mal, also häufiger als die gesamte Auer Mannschaft. Die Erzgebirgler sind eben Minimalisten. “Wir müssen an dem Tag sehr gut funktionieren, nur dann haben wir eine Chance”, so Dotchev. “Wir dürfen keine Fehler machen. Dynamo hat gezeigt, dass sie aus dem Nichts treffen können.”
Auch Dynamos Coach Uwe Neuhaus wusste den Gegner einzuschätzen: “Die Auer haben im DFB-Pokal gegen Frankfurt bewiesen, dass sie auch gegen einen Erstligisten versuchen, ihr Spiel durchzuziehen. Sie haben eine unglaubliche Heimbilanz – von fünf Spielen keines verloren, dabei nur ein Gegentor bekommen.“ Aber er sah bei seiner Mannschaft „keine Anzeichen, dass sie nachlässig werden”.
Dresden historisch stärker, aber in Aue lange erfolglos
Vor der gestrigen Partie stand man sich bereits 84-mal gegenüber. Die Historie geht bis November 1951 zurück. Damals siegte Wismut Aue 5:0 über Volkspolizei Dresden. Daheim hat Aue über die Jahre eine postive Bilanz behalten, doch Dresden mit insgesamt 36 Siegen die Nase vorn. Aue gewann nur 25 Begegnungen. 23-mal trennte man sich Unentschieden. Häufig wurde im Vorfeld der Partie die Heimserie der Auer gegen Dynamo bemüht. Denn der letzte Schwarz-gelbe Erfolg im Erzgebirge liegt lange zurück, fast 20 Jahre.
Doch mit dieser Serie haben die aktuellen Mannschaften wenig zu tun. Das verdeutlicht schon ein Blick auf die letzte Begegnung vor reichlich eineinhalb Jahren, noch in der 2. Bundesliga. 2:0 gewann Aue; daheim. Die Tore besorgten Michael Fink und Frank Löning. Aue war mit dem Sieg quasi gerettet, hatte drei Spieltage vor Schluss neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Dort stand Dynamo, die am Ende auch den Gang in Liga 3 antreten mussten. Aue folgte im Jahr darauf. Mit den Abstiegen wurden naturgemäß beide Teams kräftig umgebaut. So standen am Samstag nur noch zwei Spieler auf dem Platz, die auch im April 2014 dabei waren: Martin Männel bei Aue und Marvin Stefaniak bei Dresden.
Wechselspiele auf beiden Seiten
Dass Männel auflief, war in den Tagen zuvor noch fraglich. Im Sachsenpokal gegen Taucha wurde er wegen Adduktorenproblemen noch geschont. Nun war er einsatzbereit. Neben dem Langzeitverletzten Nials Miatke (Kreuzband) musste Dotchev somit nur auf Björn Kluft (Knie) verzichten, konnte also aus den Vollen schöpfen. Im Vergleich zum fulminanten 8:0 in Taucha wechselte er auch ordentlich durch: Die Viererkette mit Rizzuto, Breitkreuz, Susac und Hertner lief wieder in Stammformation auf. Hier hatten die Innenverteidiger eine Pause bekommen. Davor bleibt Christian Tiffert im Rhythmus, hatte nun wieder Philipp Riese statt Louis Samson neben sich. Im Offensivvierer behielten Wegner und Doppeltorschütze Kvesic ihre Plätze. Für Handle und Könnecke kamen Skarlatidis und Adler. Tom Nattermann, der nach seiner Einwechslung gegen Taucha fix zum Hattrick traf, blieb erneut nur die Ersatzbank.
Im Sachsenpokal tat sich Dresden vergleichsweise schwer. Dynamo musste bei schlechten Witterungsbedingungen in Auerbach über 120 Minuten gehen, siegte mit einem späten 1:0. Auch so eine Qualität der SGD. Dort befinden sich Jannik Müller (nach Fuß-OP) und Torhüter Patrick Wiegers (Knie) in der Reha. Blaswich – die Nummer eins zwischen den Pfosten – ist mit Wadenproblemen derzeit nicht im Training. Daher musste der als Ersatz-Ersatz geholte Kornetzky in den letzten Wochen ran. Beim Debüt in Wiesbaden war ihm seine fehlende Spielpraxis anzumerken: zwei Fehler führten zu Gegentoren, die Partie endete 2:2.
Auch Uwe Neuhaus wechselte nach dem Sachsenpokal das Personal: In der Innenverteidigung lief wieder das Stammduo Hefele/Modica auf. Teixeira wechselte die Seiten, Fabian Müller (raus) gewohnt mit Niklas Kreuzer (rein) durch. Das Mittelfelddreieck mit Moll, Lambertz und Siegtorschütze Jim-Patrick Müller blieb unverändert. Aias Aosmann gerät ins Hintertreffen: Gegen Wiesbaden bereits nach 40 Minuten ausgewechselt, saß er nun zum zweiten Mal zu Beginn auf der Bank. Im Sturm kam noch Stefaniak für Tekerci. Eilers und Testroet waren auch in Auerbach dabei.
Aue mit starkem Pressing, Dynamo mit Problemen im Aufbau
Die tatkischen Ausrichtungen werden schnell klar. Aue will das Dresdner Aufbauspiel früh stören und Fehlpässe erzwingen. Dynamo macht zum Ausgleich das Spielfeld so groß wie möglich, steht mit der letzten Reihe tief und agiert zweckmäßig auch mit langen Bällen. Die drei Offensiven bei Schwarz-gelb halten vorne die Linie. Mittelstürmer Testroet kann hier die ersten Anspiele gut festmachen und verteilen. Jedoch sind die Bälle an der zweiten Station schnell weg, da Riese gut steht oder die Innenverteidigung rausrückt. Aue geht gleich zu Beginn mit hohem Kraftaufwand bis in den gegnerischen Strafraum drauf. Früh wid ersichtlich, dass Kornetzky im Mitspielen Probleme hat. Gleich der erste Pass unter Bedrängnis landet im Seitenaus (4′).
Die ersten Aktionen gehören den Gastgebern. Ein tiefer Freistoß von halbrechts resultiert beinahe in einem Eigentor durch Moll (7′). Dresden agiert passiv, sorgt kaum für echte Entlastung. Ein Abschlag von Kornetzky landet bei Stefaniak, wird aber umgehend von Riese abgeluchst (10′), der nächste direkt beim Gegner (12′). Aue spürt die Verunsicherung und geht weiter drauf. Einzig Testroet kann die Bälle behaupten, lässt sich zuweilen bis hinter die Mittellinie fallen, um den Anspielen entgegen zu gehen. Aue zieht clever einige Freistöß auf den Außenbahnen. Beide Teams agieren in der gegnerischen Hälfte sehr risikofreudig. Die Hintermannschaften klären mehrmals tödliche Pässe gerade noch an der letzten Station. Trotz Auer Übergewicht kommen die Dresdner zur ersten Chance aus dem freien Spielverlauf: Testroet nimmt ein hohes Zuspiel im 16er mit der Brust an, wird beim Schuss aus der Drehung aber noch bedrängt und trifft den Ball nicht sauber (18′).
Als hätte er Maß genommen macht er es nur eine Minute später besser. Aues Gegenangriff kam zum Erliegen, doch die Mannschaft ist weit aufgerückt. Stefaniak macht das Zuspiel von hinten raus fest, geht um Riese herum und legt auf Jim-Patrick Müller quer. Vier Dresdner haben ab der Mittellinie fünf Auer gegen sich. Vor Müller läuft Eilers, der mit einem cleveren Laufweg zwei Abwehrspieler bindet, darunter Linksverteidiger Hertner. Auf rechts öffnet das für Kreuzer die Flanke. Müller ist schneller als Riese, kann den Ball ungestört durchs Mittelfeld führen. Aus der Innenverteidigung kommt ihm niemand entgegen. Kreuzer bekommt auf rechts vollkommen ungedeckt den Ball. Auf der Gegenseite zieht Testroet in die Mitte, verfolgt von Rizzuto. Hier wird in der Hintermannschaft nicht übergeben, sodass ein Mismatch am langen Pfosten entsteht: 1,85m gegen 1,70m. Kreuzers Flanke kommt mit perfektem Timing, Testroet überspringt Rizzuto locker und köpft den Ball am Innenpfosten zum 0:1 (19′, siehe Grafik).
Dotchev hatte noch vor dem Spiel darauf hingewiesen, Dynamo kann aus dem Nichts treffen. Dresden hatte bis hierhin sicher nicht schlecht gespielt, aber zumindest die Offensivaktionen waren überschaubar. Aue lässt sich vom Rückstand nicht lange irritieren. Dass sie ein Spiel drehen können, haben sie unlängst in Chemnitz bewiesen. Das Spiel wird lebhafter, Aue muss aufpassen nicht zu überdrehen und so ins offene Messer zu laufen. Ein Mittelfeld ist in dieser Phase quasi nicht existent. Beide Teams überbrücken den Raum zwischen den Strafräumen sehr schnell. Dresden gibt den Abschnitt dann auch auf, positioniert sich mit sieben, acht Mann um das eigene Tor. Aue verlegt sich auf Fernschüsse, weil sie da eine Schwäche von Kornetzky ausgemacht haben wollen. Gefährlich ist das selten. Dresden kann mit dem auseinandergezogenen Spiel besser umgehen. Jim-Patrick Müller gibt einen guten Ballverteiler bei Kontern, mehrmals kombinieren sich die Schwarz-gelben bis in den gegnerischen Strafraum. Auf Auer Seite sind die Offensivbemühungen zerstückelter, ergibt sich kaum Kombinationsspiel. Bis zur Pause sind die Spielanteile ausgeglichen, die Partie auf einem hohem Tempo geführt. Aue kann mithalten, einzig die zwingenden Chancen fehlen.
Dresden zu passiv, Aue mit hohem Aufwand erfolgreich
Dotchev bringt mit dem Seitenwechsel Samson für Kvesic; durchaus defensiv? Riese rückt nach vorne, Samson neben Tiffert in die Zentrale. Ein Versuch das Mittelfeld zu verstärken. Aue betreibt weiter großen Laufaufwand. Bisweilen gehen sie zu dritt auf den Ballführenden oder setzen Kornetzky unter Druck. Zwar ist die Partie schnell und intensiv, richtiger Spielfluss kommt dabei selten auf. Aue kann den Ball kaum über drei Stationen behaupten, agiert mit hohen Flanken, die für Hefele und Modica simpel zu klären sind. Die Versuche aus der zweiten Reihe werden wilder, aber nicht gefährlicher. Nun geht Aue die Ruhe ab, die sie noch in Chemnitz so auszeichnete. Eine schöne Kombination über Riese, Skarlatidis und Adler ist notierungswürdig, da bis hierhin einzigartig (65′). Dresden hingegen spielt gefühlt zu früh auf Ergebnis halten, geht nie wirklich auf das 2:0. So bringt Neuhaus nach gut einer Stunde auch für Flügelstürmer Stefaniak den Defensiven Mittelfeldspieler Hartmann. Dotchev schöpft hier schon sein Wechselkontigent aus: Könnecke und Handle kommen positionsgebunden für Riese und Adler.
Aue setzt sich in der Folge erstmals richtig in der Dresdner Hälfte fest, kommt zu mehreren Ecken hintereinander. Eine davon lässt Kornetzky fallen, eine andere landet nach Klärungsversuch Hefeles fast im eigenen Tor. Kurz darauf die einzige nennenswerte Szene von Eilers in Halbzeit zwei: Dem Toptorjäger der Liga war nach vorne nichts gelungen, nun leistet er sich im Spiel nach hinten ein unnötiges Foul an Hertner im linken Halbfeld. Die Dresdner standen mit sieben gegen vier völlig ohne Bedrängnis. Den anschließenden Freistoß bringt Rizzuto mit Schnitt vors Tor. Breitkreuz steht gegen Hefele, wird noch gehalten, dreht sich aber im Fallen zum Schuss und trifft aus kurzer Distanz zum Ausgleich (73′). Für Kornetzky nichts zu machen, muss der Ball schon bei der Hereingabe geklärt werden. Eilers wird mit Wiederanpfiff für Tekerci ausgewechselt.
Dresden braucht zwei Minuten, um den Gegentreffer abzuschütteln, wird sogleich gefährlich. Aue ist weit aufgerückt, Testroet erhält den Ball und steckt auf Lambertz durch. Frei vorm Tor gerät der allerdings in Rücklage und setzt den Schuss übers Gehäuse (78′). Die Szene macht anscheinend beiden Teams deutlich, wie fix der nächste Fehler zur Entscheidung führen könnte. Die Offensivbemühungen werden damit verhaltener. Wegner kommt nach einer guten Einzelaktionen nochmals zum Abschluss, bringt aber nicht genügend Druck hinter den Ball (85′). Neuhaus bringt noch Aosmann für Lambertz, viele Akzente kann der allerdings nicht mehr setzen. Ein Abschluss landet knapp neben dem Tor (90+1′).
Die Punktetrennung geht letztlich in Ordnung. Aue belohnt sich für den hohen Aufwand, Dresden war nach der Führung nicht konsequent genug. Vom Tempo und Intensität hatte die Partie sicherlich Zweitliganiveau. Dynamo empfängt nächste Woche den Tabellendritten Preußen Münster zum Topspiel. Aue muss auswärts bei Fortuna Köln ran.