Darauf haben wir also fünf Wochen gewartet. Als ich im Podcast unter der Woche noch überlegt hatte, ob man in Chemnitz überhaupt würde spielen können, zeigte das Thermometer in der Nacht danach minus 19 Grad. Da wäre sicher auch die stärkste Rasenheizung in die Knie gegangen. Im Dezember war der Untergrund schon beim Gastspiel der Fortunen eigentlich unbespielbar. Hätten sie den gestern noch unter Hände Arbeit freigelegt, das Ergebnis wäre sicher ein noch „tieferes Geläuf“ geworden. Unter Einbezug der vereisten Traversen und Zugänge war die Verlegung nur sinnig.
Im nächsten Schritt könnte man sicher überlegen, ob denn Mitte Januar überhaupt schon wieder gespielt werden kann oder sollte. Wahrscheinlich muss aufgrund der langen Saison eben. Zwar rollte dieses Wochenende der Ball in mehreren Stadien, wirklich dankbar werden die wenigsten Aktiven gewesen sein. Daran litt auch die Qualität der beobachteten Spiele. Immerhin waren Aue und Dresden im Einsatz. Das Dreierlei müsste heute wohl eher ein Zweierlei sein. Ein paar Gedanken zu den Partien in einem Schwung.
Stuttgarter Kickers 1:1 FC Erzgebirge Aue
Der FC Erzgebirge Aue hatte die Ehre in einer der zwei Freitagspartien die Restrückrunde zu eröffnen. Bei Minusgraden musste man in Stuttgart ran. Es hätte auch einfachere Aufgaben zum Start geben können. Die Witterungsbedingungen waren natürlich für beide Mannschaften die gleichen. Aber die Kickers hatten auf dem letzten Tabellenplatz überwintert, sich somit einiges zum Neustart vorgenommen. Gleichzeitig war keine Mannschaft auf dem Transfermarkt aktiver: Fünf Spieler kamen, allesamt mit dem Anspruch den Kickers sofort weiterzuhelfen. Dazu später mehr. Auf Seiten der Gäste stand zumindest ein Neuzugang in der Startelf. Cebio Soukou hatte Dotchev wohl in der Vorbereitung überzeugt, lief als hängende Spitze hinter Wegner auf.
Namhaftester Ausfall bei Aue: Christian Tiffert, normalerweise der Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Veilchen. Vor Weihnachten hatte er zum fünften Mal Gelb gesehen. Nun fehlte er ganz offensichtlich. Samson agierte auf der Doppelsechs neben Riese. Im Spielaufbau entschied man sich, die beiden völlig zu umgehen. Die Innenverteidiger Breitkreuz und Susac standen idR. weit auseinander, jedoch ließ sich keiner dazwischen fallen. Vielmehr pendelte der Ball weiter nach außen, wurde von Rizzuto bzw. Hertner dann öffnend über den Flügel gespielt. Normalerweise kommt dieser Pass von einer Ebene weiter vor, was mehr Bewegung erlaubt. So war die frühe Festlegung auf eine Angriffsseite einfacher zu klären für die Kickers. Die Außenverteidiger waren generell sehr offensiv eingestellt, hinterliefen auf dem Flügel oder zogen ab Höhe Mittellinie mit Ball in die Zentrale. Chancen ergaben sich für Aue aus eigenem Ballbesitz in der ersten Halbzeit keine. Eroberten sie im letzten Drittel den Ball ergaben sich Räume, da die Kickers sehr breit auseinander gezogen standen. Soukou war in diesen Szenen am auffälligsten, schloss aber meist überhastet ab. Pressing zeigte Aue zu selten – ein Produkt des Wetters? – stand dafür tendentiell zu tief. In der zweiten Halbzeit ließ sich Stuttgart nach Ballverlust nicht mehr in Unterzahl bringen.
Eine gute halbe Stunde fehlte der Partie jegliches Tempo. Die Kickers waren sichtlich bemüht, die Offensivaktionen erlagen aber auf Höhe des Auer Strafraums. Unter den vier Offensiven standen zwei Neuzugänge: Mvibudulu (von 1860) vertendelte viele Bälle, brauchte im Entscheidungsfindungsprozess zu lange. Nebihi (von Union) ließ sich einige Bälle abluchsen, agierte insgesamt unglücklich und gänzlich ohne Torgefahr. Die Abstimmungen passten da natürlich noch nicht. Aue hatte stets genug Zeit, sich zu stellen. Je nachdem wer gerade offensiv auf den Flügeln unterwegs war, etwa Skarlatidis und Adler, rückte in die Abwehrreihe ein, sodass sich zeitweise eine Sechserkette mit zwei Abräumern davor bildete. Diesen Riegel zu knacken, war Stuttgart zu langsam. Quasi symptomatisch, dass die Führung der Gastgeber nach einer Ecke fällt. Stein verlängerte die Hereingabe am ersten Pfosten, am zweiten war Berko ungedeckt. Die Führung brachte den Kickers einen sichtlichen Schub. In einem der nächsten Angriffe lupfte Jordanov zur Drop-Kick-Abnahme von Berko auf. Kurz vor der Pause hätte Stein die Vorentscheidung besorgen können, wenn nicht gar müssen. Der Stuttgarter Kapitän lief Adler zentral vor dem Tor den Ball ab (Hintermann!), Breitkreuz rückte raus, verschätzte sich aber, sodass Stein mit der aufgenommenen Geschwindigkeit auch an ihm vorbeikam. Männel blieb lange oben, lenkte den Ball noch an die Latte.
#SVKAUE Glaubt dir auch keiner, wenn du erzählst, dass Gjasula grad sein erstes Spiel in der Klasse macht..
— Sebastian Kahl (@sebastiankahl11) January 22, 2016
Belebung ins Auer Spiel brachte erst Handle, den Dotchev nach einer guten Stunde für Skarlatidis reinwarf. Der 7er schleppte die Bälle auf eigene Faust, kam mehrmals bis an die Grundlinie durch. Auch die Hereingaben waren gut, einzig die Abschlüsse zu schwach. Immerhin kamen die Gäste in dieser Phase endlich zu Chancen. Wegner hatte in der 84. die beste, sogar aus elf Metern. Der eingewechselte Köpke kam zu Fall; streitbar. Kontakt war eher leicht, der Ball auch in ungefährlicher Position, vielleicht sogar schon im Aus. Das glich sich eben sofort aus, da Sattelmaier parierte. Der Ausgleich fällt dennoch. Breitkreuz war in der Schlussphase als zusätzlicher Zielspieler mit nach vorne gegangen. Nach einem Einwurf auf dem linken Flügel schlug Riese den Ball nach vorne, Breitkreuz stand am Elfmeterpunkt völlig ungedeckt, nahm das Anspiel im Fallen Volley (90+2′). Stuttgart war nach der Führung die bestimmende Mannschaft, Aue aber mit mehr Chancen in Halbzeit zwei. Insgesamt wohl eine vertretbare Punkteteilung. Ausser der Reihe noch; Klaus Gjasula zeigte im defensiven Mittelfeld bereits in diesem ersten Einsatz, dass er den Kickers weiterhelfen kann: gutes Stellungsspiel, Wahnsinnsruhe, genau die richtige Härte für den Abstiegskampf.
Rot-Weiß Erfurt 3:2 Dynamo Dresden
In Erfurt wurde noch den Samstagvormittag über gewerkelt und Schnee geschippt, dass überhaupt gespielt werden konnte. Helfer legten Stunden vor Anpfiff den eingeschneiten Platz frei. Das beförderte einen Spieluntergrund zu Tage, den Dynamos Sportchef Minge als „grenzwertig“ bezeichnete. Kapitän Hefele gab sich markant wie immer: „Kämpfen und Laufen kann man auf jedem Boden“. Zur Erinnerung, genau jener Hefele hatte sich am lautesten über den Auerbacher Platz im Sachsenpokal beschwert; Zitat: „eignet sich nur zum Spargelanbau„.
Zum Ende der Hinrunde länglich besprochen, krankte es bei Dynamo vor allem im Spielaufbau und an der Frische. Letzteres muss sich mit der Winterpause erledigt haben also galt das Hauptaugenmerk der Dresdner Zentrale. Dort musste Neuhaus wechseln, da Moll aufgrund eines Muskelfaserrisses ausfiel. Aosman ist zudem noch gesperrt. Daher lautete das Mittelfeldtrio erstmals in dieser Saison: Hartmann, Lambertz, Dürholtz. Doch eine Überraschung, dass Dürholtz Jim-Patrick Müller vorgezogen wurde. Der 22-Jährige lief zum ersten Mal von Beginn an auf. Mit seiner Aufstellung war die Rollenverteilung klar: Hartmann und Lambertz im defensiven, Dürholtz im offensiven Mittelfeld. Das funktionierte zu Beginn gut. Dürholtz war ordentlich in das Spiel eingebunden, wenn auch nicht so leitend wie Aosman. Kombinationen über Müller, Tekerci und eben Dürholtz liefen auf dem seifigen Boden ordentlich. Ließ sich Dürholtz fallen, preschte Lambertz in die Lücke, riss so die Erfurter etwas auseinander.
Krämer hatte angekündigt, einen intensiveren Stil im Spiel gegen den Ball zu installieren. Der neue Coach der Rot-Weißen setzt auf „die ersten fünf bis acht Sekunden nach Ballverlust/-gewinn“ (kicker-Print). In der Vorbereitung habe die Mannschaft vor allem Pressing gepaukt. Das zeigte sich in der ersten halben Stunde stellenweise. Dresden ist natürlich auch nicht die Truppe in der 3. Liga, gegen die man das Pressen übertreiben will. Schwarz-Gelb hat die spielerische Klasse sich aus fast jeder Situation zu befreien. Im Gegenzug reichen meist wenige Stationen, um selbst gefährlich zu werden. Würzburg war genau das im letzten Spiel vor der Winterpause zum Verhängnis geworden. Erfurt wählte die Momente zum Anlaufen mit Bedacht. Hatte sich Dresden festgespielt und legte zwischenzeitlich den Rückwärtsgang ein, gingen auch die Rot-Weißen drauf. Damit erzwangen sie weitere Rückpässe bis zu Blaswich. Sah der Dresdner Schlussmann zwei Gegner vor sich, verzog er regelmäßig die Abschläge. In der ersten Halbzeit landete mindestens ein halbes Dutzend im Seitenaus.
Ich könnte wetten, dass mindestens die Hälfte der bisherigen Trainingseinheiten unter Krämer dem Angriffspressing gewidmet waren. #fcrwe
— stellungsfehler.de (@FedorFreytag) January 23, 2016
Andersrum wich Erfurt zurück, wenn Modica oder Hefele den Ball von hinten raus führten. Nicht selten standen die Gastgeber dann mit elf Mann in der eigenen Hälfte. Ins letzte Drittel gelangten die Dresdner somit selten. Ähnlich dem Freitagspiel musste eine Ecke her. Testroet köpft am ersten Pfosten ein, nachdem sein Vordermann unter dem Ball durchsprang. Dynamo lullte sich mit der Führung selbst ein. Das Erfurter Spiel nach vorne war zu langsam, um sie wirklich zu fordern. Kammlott sah gegen Modica und Hefele keinen Stich. Also musste eine Ecke her. Bzw. der zweite Ball, denn Dresden verteidigte die erste Hereingabe gut. Der Ball gelangte allerdings wieder auf den Flügel zum Flankengeber Höcher. Weil der fünf Meter Platz um sich herum hatte, versuchte er es einfach noch mal. Und dieser Versuch landete im langen Eck. Blaswich kann da nicht herauskommen, der Ball fliegt in einer für ihn unbespielbaren Höhe heran. Entweder muss jemand in der Mitte klären oder die Flanke bereits unterbunden werden.
Sprung in die 68. Minute: Blaswich bekam den Ball von Hefele, wurde von den Erfurter Angreifern kaum unter Druck gesetzt, verhühnerte trotzdem seinen Pass. Doch dieses Mal landete der nicht im Aus sondern beim Gegner. Erfurt reagierte schneller, kam in Überzahl Richtung Strafraum. Tyrala wurde dort angespielt und von Hartmann gefoult; Elfmeter, 2:1. Vielleicht hatte Blaswich noch die vorherigen Anläufe der Erfurter im Sinn bei seinem Abspiel. Neuhaus stellte in der Folge um. Für Tekerci und Dürholtz kamen Jim-Patrick Müller und Kutschke. Das 4-3-3 wurde zum 4-4-2 und die Dresdner Spielweise berechenbarer. Denn nun wurden die Bälle einfach weit auf Kutschke (1.94m) geschlagen. Willkommen in der 3. Liga. Die spätere Hereinnahme von Väyrynen anstelle von Lambertz machte die Sache nicht besser. Im 4-2-4 ging jegliche Balance verloren. Erfurt kam zu den besseren Chancen. Kammlott scheiterte an Blaswich nach einem guten Konterzug (90′). Zwei Minuten später sorgte Aydin für die Entscheidung, da Modica zwar Kammlott an der Strafraumgrenze stellen konnte; zwei Kollegen schauten aber nur zu, so gelangte der Ball zum freien Aydin, 3:1. Hartmanns Anschlusstreffer mit dem Abpfiff war dann nur noch Ergebniskosmetik. Dresden kam mit den Erfurter Pressingversuchen in der ersten Halbzeit noch gut zurecht, ließ die Gastgeber mit der Führung kommen, machten sich das Leben selber schwer. Nach der Pause konnten sie den Schalter nicht mehr umlegen. Erfurt spielte mit mehr Selbstvertrauen dann die wohl beste Halbzeit seit Langem. Ein gutes erstes Spiel für Krämer. Aber auch erst eines.
Der Beitrag Dreierlei* zur Liga 3: Unterkühlter Auftakt erschien zuerst auf Fußball in Sachsen.