Die Analysen oder taktischen Eindrücke aus Spielen mit sächsischer Beteiligung sind an diesem Wochenende der Senderplanung anheim gefallen. Zwar wurden neun von zehn 3. Liga-Partien live im TV gezeigt (Rekord). Chemnitz war nicht dabei. Der Auftakt der Himmelblauen in Kiel war dem NDR keine Übertragung wert. Stattdessen zeigte man Rostock gegen Osnabrück. Dort fielen schmale sieben Tore weniger als in der Parallelbegegnung. Gut, konnte man nicht wissen. Doppelt nervig war allerdings der Einfall des MDR, aus den Spielen in Dresden, Aue und Magdeburg eine Konferenz zu machen. Am Ende hat der Beobachter dann mMn. von keinem Spiel so wirklich eine Idee, wie es sich entwickelte.
Daher habe ich mir zwei Partien außerhalb des namensgebenden Gebiets angeschaut, die wohl am ehesten unter dem Deckmantel des CFC-Gegnersouting doch hier Betrachtung finden können. Zum einen war am Samstagnachmittag Münster erstmals in 2016 aktiv. Ende Februar reist Chemnitz zu den Westfalen. Sonntag empfing dann Cottbus die Fortuna aus Köln. Das Spiel gegen Energie wird wohl auch eher früher als spät nachgeholt. Gemunkelt wird, irgendwann unter der Woche Anfang Februar. Dass beide Teams im jeweiligen Landespokal ausgeschieden sind, sich also die kommende Spielpause anböte, passt in die Gesamtsituation. Sodann:
SC Preußen Münster 2:0 (2:0) FC Rot-Weiß Erfurt
Mit Verspätung startete der SC Preußen Münster in die Restrückrunde. Die Schwarz-Weißen fielen vergangene Woche ebenfalls dem plötzlichen Wintereinbruch zum Opfer. Ihre Auftaktpartie in Würzburg musste abgesagt werden. So ließ das Debüt von Horst Steffen auf sich Warten. Zwischen den Jahren wurde er als neuer SCP-Coach vorgestellt. Unter seinem Vorgänger – dem geschassten Ralf Loose – hatte Münster eine lange Zeit zwar gute Ergebnis geholt aber keinen schönen Fußball gespielt. Zum Ende der Hinrunde fehlten dann auch noch die positiven Resultate. Steffen kam mit der Empfehlung, in der Vorsaison bei den Stuttgarter Kickers den ansehnlichsten Stil der 3. Liga etabliert zu haben.
Nun hatte er eine zusätzliche Woche, um seine neue Mannschaft zu schleifen. Aber das ist natürlich zweischneidig. Denn die Erfurter konnten sich unter Wettkampfhärte beweisen. Zum Auftakt siegte Rot-Weiß sensationell mit 3:2 gegen Dynamo Dresden. Es war erst die zweite Saisonniederlage des Ligaprimus. Die Erfurter hatten ihnen mithilfe des neuetablierten Pressingspiels arg zugesetzt. Neuetabliert deshalb, weil auch bei RWE unlängst auf dem Trainerposten gewechselt wurde. Stefan Krämer hat in Thüringen eine ungleich schwerere Aufgabe, muss den Abstieg abwenden und in der wirtschaftlich angespannten Lage die Laune hochhalten. Den Sieg über Dynamo hatte er vollmundig gefordert. Und die Mannschaft hat ihn geliefert. Krämer vertraute daher für seine erste Auswärtsaufgabe derselben Startelf.
„Wir wollen attraktiven Fußball spielen“, betonte Steffen nochmals im Interview unmittelbar vor dem Spiel. Dafür stellte der neue Coach (auf dem Papier) auf ein flaches 4-4-2 um. Erstmals in der Saison spielte Münster mit zwei nominellen Spitzen, Reichwein und Krohne. In vielen Situationen wurde Hoffmann zur dritten, das System zum 4-3-3. Im Umkehrschluss mpssten somit ein oder zwei Spieler im Mittelfeld fehlen, um sich dem Erfurter Pressing zu erwehren. Würde RWE dort ähnlich gut agieren wie gegen Dresden, könnte der Einstand Steffens verdorben werden. Ich konzentrierte mich daher in erster Linie darauf, wie Münster dem Pressing begegnen würde.
Erfurt begann zunächst eher verhalten. Auch gegen Dresden waren sie nicht wahllos gegen den Ballführenden angestürmt sondern wählten die Situationen mit bedacht. Hauptsächlich bei rückwärtsgerichtetem Spiel rückten die Erfurten da raus und setzten Innenverteidiger und Torwart unter Druck. Dem Dresdner Schlussmann Blaswich beeindruckte das später noch als er einen Rückpass überhastet auf den Gegner weiterleitete. Das mündete (via Elfmeter) im zwischenzeitlichen 2:1. In Münster startete Rot-Weiß zunächst mit zehn Mann in der eigenen Hälfte. In den ersten Szenen liefen lediglich Kammlott und Höcher den jeweils ballführenden Innenverteidiger an. Hier deutete sich schon eine Münsteraner Lösung an: schnelle vertikale Pässe auf entgegenkommende Stürmer. Krohne kam da über die linke Flanke, Reichwein eher mittig. Kam Reichwein entgegen, brachte das Platz über rechts für Hoffmann. Reichwein musste dafür nicht unbedingt angespielt werden. So führte Philipps in Minute sechs den Ball im halbrechten Rückraum. Kara stand auf Höhe der Mittellinie auf der rechten Flanke. Philipps wurde nicht schnell genug gestellt, konnte sich drehen. Kara bekam das Zuspiel, war dieses mal eine Zwischenstation zu Hoffmann. Der startete auf rechts, wurde im Lauf bedient. Reichwein und Krohne hatten den Raum aufgemacht, standen im mittleren Spielfelddrittel. Hoffmann setzte sich im eins gegen eins mit Linksverteidiger Nikolaou durch, passte flach quer zur Strafraumkante. Krohne war eingerückt und nahm den Ball direkt, 1:0.
Erfurt zeigte in der unmittelbaren Folge mehr Biss im Anlaufen, schob aber nicht konsequent genug raus. So teilte sich das Spielfeld in jeweils fünf offensive und fünf defensive auf. Die Erfurter waren zuweit auseinander gezogen, um wirklich Druck auszuüben. Münster überspielte das mit hohen Bällen oder Seitenwechseln, bei denen Erfurt zu langsam reagierte. In einer Situation schleppte Linksverteidiger Müller den Ball auch simpeln 20 Meter an der Erfurter Druckzone vorbei. Das Rot-Weiße Pressing griff insgesamt nicht wie noch gegen Dresden. Das zeigte sich auch im vorentscheidenden 2:0. Erfurt spielte viele Bälle lang hinten raus ohne wirklich das Anspiel in der Spitze zu suchen. Vielmehr wollte man auf zweite Bälle gehen oder den ballführenden Innenverteidiger unter Druck setzen bevor sich Münster sortierte. Eine gute Viertelstunde war gespielt als ein solcher Ball im halbrechten Rückraum bei Kara landete. Zwei Erfurter liefen ihn an. Rechtsverteidiger Kopplin hatte Platz bis zur Mittellinie, wurde von Kara mit einem hohen Pass bedient. Kopplin spielte vertikal auf Hoffmann, der dieses mal von Nikolaou gestellt werden konnte. Der Erfurter klärte zum Einwurf. Münster führte schnell kurz aus. Kopplin tanzte Bewacher Judt aus und schlug eine hohe Flanke auf den zweiten Pfosten. Die war zwar lange unterwegs. Dennoch konnte sich Reichwein gegen zwei Erfurter besser positionieren und gegen die Laufrichtung des Torhüter einnicken (16′).
Da war die Messe also eigentlich bereits gelesen. Doch Kammlott hatte kurz darauf den Anschluss auf dem Fuß, ein Produkt des Erfurter Pressings. Eine häufig gezeigte Variante: Abstoß Münster auf der linken Seite. Pischorn positionierte sich links vom Strafraum, Schweers mittig, Kara etwas weiter davor zwischen den beiden. In beinahe jeder Instanz spielte Lomb kurz auf Pischorn. Anschließend löste sich Münster spielerisch. Nun lief Höcher Pischorn zentral an, Kammlott lauerte in der Mitte. Statt wie gewohnt diagonal auf Kara zu spielen, wählte Pischorn den Querpass auf Schweers. Kammlott spritzte dawischen, schloss dann aber überhastet ab.
Was für ein verrücktes Fußballspiel heute… Hier ist unser Bericht https://t.co/OMaWf81MHg #scprwe #scp06 pic.twitter.com/4rdP0ShFzJ
— SC Preußen Münster (@Preussen06) January 30, 2016
Münster ließ den Ball insgesamt aber sehr gut laufen trotz aufgeweichtem Rasen. Auf viele Seitenwechsel im Rückraum folgten die vertikalen Pässe wenn sich Lücken ergaben. Kara sammelte wohl die meisten Ballkontakte, hielt sich zwischen den Linien der eigenen Innenverteidiger/ Erfurter Stürmer und den zentralen Erfurter Mittelfeldspielern auf. Diese Staffelung war aus Gästesicht zu groß, sodass sich Kara Platz zum Verarbeiten und Verteilen bot. Wurde er mal in der eigenen Hälfte ohne Anspielstation entwischt, zog er clever das Foul. Auffällig war die mit der Zeit immer höher werdene Positionierung der Außenvertediger, sowohl Müller links, vor allem aber Kopplin rechts schoben weit raus. Viele der Münsteraner Angriffe liefen dann über die rechte Flanke mit Kopplin und Hoffmann. Krämer wechselte in der Defensive entsprechend sogar zweimal. Zunächst kam mit Brückner für Höcher im linken Mittelfeld eine nach hinten stärkere Alternative. Später dann Benamar für Nikolaou, wobei Brückner dann auf die hintere Position zurückwich. Jedenfalls sorgte die hohe Stellung der Münsteraner Außenverteidiger für weitere Anspielstation von hintenraus. Kara fand beide mehrmals mit langen Diagonalpässen über 30-40 Meter.
In der zweiten Halbzeit war Erfurt gefordert, nun selbst in der Bringschuld. RWE schob also etwas weiter raus, setzte mit dem Pressing bereits im letzten Münsteraner Drittel an. Das funktionierte nicht unbedingt besser als zu Beginn. Auch weil Münster das Tempo etwas verschleppen konnte, den Erfurtern zeitweise den Ball überließ und sich zurückzog. Im Spiel gegen den Ball wurde das Münsteraner 4-3-3 deutlich. Hoffmann hielt dieselbe Höhe wie Krohne und Reichwein. Letzterem kam in der Mitte eine freiere Rolle zu. Reichwein konnte teilweise zurückweichen und auf die Flügel pendeln, um dort Uberzahlsituationen zu erzeugen. Die Außenverteidiger standen auch gegen den Ball sehr hoch. Kara bzw. Philipps sicherten jeweils dahinter ab. Im Umschalten entwickelte Münster nun selten wirklich direkten Zug zum Tor, beschränkte sich aufs Ball halten. Hoffmann brachte dabei als dritte Spitze zusätzliche Optionen. Die Gelb-rote Karte auf Seiten der Erfurter besiegelte dann das Ergebnis (87′).
FC Energie Cottbus 0:0 (0:0) SC Fortuna Köln
Eine ganz ähnliche Ausgangslage lag am Sonntag in der Lausitz vor. Auch dort bestritten die Gastgeber erst an diesem Wochenende den Restrückrundenauftakt. Energie wurde ja die Auswärtsfahrt nach Chemnitz verschneit. So wie die Himmelblauen daran in Kiel zu knabbern hatten, so fanden auch die Rot-Weißen eher schleppend ins Spiel. Doch der Reihe nach: Zu Gast war die zweite Kraft aus der Metropole Köln. Die Fortuna war in der Hinrunde eine der Wundertüten der Liga, stellte die drittbeste Offensive aber auch abseits der Abstiegsränge die anfälligste Defensive. In der Vorwoche glückte der Einstieg in 2016 gegen Hansa Rostock, 5:1! Königs (2x) und Biada bestätigten ihre gute Form. Trainer Uwe Koschinat hatte erstmals mit einer Dreierkette spielen lassen. Nun wollte er wieder auf den Gegner eingehen, brachte links hinten Kwame und ließ wieder im 4-4-2 agieren. Das war eine Reaktion auf die sehr zentral-orientierte Spielweise der Cottbusser. Miriuta hatte dort beim Amtsantritt einen zweiten Sechser in der Formation hinzugefügt, das Hauptaugenmerk auf die Abwehr gelegt. Bis zum Jahresende hatte das für elf ungeschlagene Spiele in Folge getaugt. In der unteren Tabellenhälfte kassierte nur Aalen weniger Gegentore.
Mein Hauptaugenmerk lag in dieser Partie auf den Offensivbemühungen der Kölner und dementsprechend der Cottbusser Abwehrarbeit. Auch wenn das Duo Frahn/ Fink nicht in der gleichen Spielweise agiert wie Königs/ Biada, lässt sich beim CFC doch am ehesten im Sturm eine Stärke ausmachen. Für eine halbe Stunde war das Kölner Angriffsspiel beinahe ein Feuerwerk. Die Ehrfurcht der Gastgeber ließ sich schon gleich zu Beginn erkennen, als ein Einwurf der Fortunen auf Höhe des Cottbusser Sechszehners mit elf Mann in der Box verteidigt und schließlich abgewehrt wurde (2′). Kurz darauf wurde auch ersichtlich, warum: Dieses mal kam der Einwurf von der anderen Seite, erneut weit geschleudert. Cottbus versuchte mehrfach zu klären, ein Querschläger landete vor den Füßen von Dahmani. Schorch lenkte den Abschluss im Sitzen noch an die Latte (8′).
Dabei musste sich Köln in dieser Phase gar nicht auf Standardsituationen verlassen. Vielmehr wurden sie aus dem freien Spiel gefährlich, wenn sie mit Tempo die Cottbusser Abwehr anlaufen konnten. Tempo ist auch das Wort, das die Kölner Offensive am besten beschreibt. Die Fortunen versuchten mit wenigen Aktionen und Berührungen viele Meter zu überbrücken, zogen die Cottbusser möglichst auseinander und attackierten den freien Raum. Der FCE stand in der Anfangsphase zu tief, vielleicht 25 Meter vor dem eigenen Tor. Königs ließ sich häufig von seiner Position in der Spitze fallen, teilweise sogar bis hinter die Mittellinie. Auf einer gewissen Strecke zog das seinen Bewacher – meist Möhrle – aus der Kette heraus. Ein häufiges Muster war der weite Ball auf Königs, der ließ auf die nachrückenden Zentralen Andersen oder Schröder prallen. In Königs Rücken waren die anderen Offensiven gestartet, einer von ihnen wurde dann steil bedient. Das wurde mit viel Risiko und meist einer Berührung gespielt. Aber in dieser ersten halben Stunde funktionierte es bisweilen sehr gut. Die gefährlichen Torraumszenen kamen daher im Minutentakt: Biada im Solo über links (18′), Dahmani mit dem geschleppten Ball durchs Mittelfeld auf Königs (19′).
Biada nahm in der Offensive eine etwas freiere Rolle ein. Nominell gab er die zweite Spitze neben Königs, war auf dem Feld dann überall zu finden. Häufig wich er auf eine der Flanken, formte dann mit Dahmani oder Bender Pärchen auf Außen. Das erinnerte stark an Bertram bei Halle. Cottbus reagierte dann mit der gesamten Vehemenz des defensiven Mittelfelds, beide Sechser – Zeitz und Hübener – verschoben auf die „Biada-Seite“, unterstützten dort die Außenverteidiger Szarka und Cretu. Als einziges Mittel dem Einhalt zu gebieten, fiel den Cottbussern lange nur das Foulspiel ein. Einiges blieb ungestraft, aber zumindest Zeitz (24′) und Möhrle (37′) sahen vor der Pause Gelb. Das Kölner Spiel war nicht kompliziert, eher schnörkelos und konsequent mit Tempo gespielt. Das zwang die Cottbusser Defensiven zu vielen Richtungswechseln, viel Laufarbeit. Mit Möhrle (36) und Hübener (33) sind immerhin zwei der vier Zentralen (IV und DM) schon über den Zenit.
In Halbzeit zwei standen dann die Linien der Cottbusser dichter beieinander. Die Hintermannschaft schob weiter hinaus. Das verknappte den Raum für die Kölner, um Anlauf auf die Defensive zu nehmen. Die Einwechslung von Michel für Bouziane auf Seiten der Gastgeber sorgte in der Folge vorne für Entlastung. Das ganz große Tempo konnten sie damit aus dem Spiel nehmen. Die langen Bälle kamen von der Fortuna nun auch auf die hinterste Reihe, nicht mehr auf die entgegenkommenden Stürmer. Das war einfacher zu verteidigen für die kopfballstarken Verteidiger. Köln zeigte nur noch in zwei Kontern ihre Gefährlichkeit: Vom linken Rückraum arbeitete man sich über vier, fünf Stationen in einem Zug bis an die rechte Strafraumecke, der eingewechselte Kessel vergab (75′). In der Nachspielzeit steckte Königs auf rechts auf Biada durch, bekam den Ball im Rücken der Abwehr zurück, blieb aber bei zwei Abschlussversuchen jeweils an einem Verteidiger hängen. Die Kölner Offensive ist gut besetzt, sehr fluide, wenn die Einzelteile ineinander greifen. Ein frühes Tor hätte den Gästen die Partie sicher eröffnet.
Der Beitrag Zweierlei zur Liga 3: CFC-Gegnerscouting erschien zuerst auf Fußball in Sachsen.